zur Erinnerung
30 Jahre Deutsche Einheit, Zeit für eine Zwischenbilanz

Nachgefragt

So sehe ich das!

Heute antwortet: Mario Kluge, 57, Texter und Redakteur

Welche Begriffe verbinden Sie mit der DDR?
Stellungnahme. Abkürzungen von ABF bis ZV.
Dostoprimetschatelnosti (Sehenswürdigkeit).

Was hat ihr Leben bis 1989 geprägt?
Leben und gelebt werden. Freunde und das Studium haben mich geprägt, ebenso die die Unterstützung durch meine alleinerziehende Mutter. Sie hat übrigens mit mir an der Hacke studiert und dann Erfolg im Beruf gehabt. Das wäre im Westen anders gelaufen.

Wie verbrachten Sie Ihre Freizeit?
Mit Captain Kirk und Adolar. Den Beatles und Pankow. Mit Jazz. Mit Franois Villon, Franz Fühmann , Maxie Wander und Volker Braun.

Welchen Beruf haben Sie gelernt?
Diplom-Staatswissenschaftler mit Sprachspezialisierung Portugiesisch und Französisch Meinen Abschluss habe ich 1989 in Moskau gemacht. Es war spannend.

Wovon träumten Sie?
Von Mädchen und Heldentaten. Später vom Spielplanwechsel im Staatstheater: Realismus statt Absurdes Theater. Die freie Entwicklung eines jeden als Bedingung für die freie Entwicklung aller.

Wo waren Sie, als Sie vorn Mauerfall erfuhren?
In der ersten eigenen Wohnung, die wir am 9.11. zu dritt bezogen haben. Oder hat sich das Gedächtnis das zurechtgelegt?

Was haben Sie von Ihrem Begrüßungsgeld gekauft?
Ich hoffe: geistige Nahrung. Ich fürchte: Kaffee und Dosenbier.

Welche Meinung hatten Sie 1990 zur Wiedervereinigung? Und heute?
Ich war für einen Zusammenschluss auf Augenhöhe. Durch den schnellen, gebückten Beitritt fehlen dem Osten heute Eigentum und Entscheider. Und mit dem Eigentum wohl auch Freiheit. Trotzdem gibt es mehr Licht als Schatten.

Wie ging es nach 1990 beruflich für Sie weiter?
Abwicklung, Abschluss nicht anerkannt. Arbeitslosigkeit. Ich habe mich als Texter und Redakteur neu erfunden.

Wohin vereisen Sie gern?
In Bücherwelten. Nach Usedom, nach Portugal. Und überall dorthin, wo meine Frau mir zulacht.

Was Ist In den zurückliegenden 30 Jahren aus Ihrer Sicht gut, was schlecht gelaufen?
Das Leben ist bunter und geistig freier. Sanierte Innenstädte, saubere Umwelt.
Aber nur fünf Prozent der privatisierten Betriebe gingen an Ostdeutsche.
Die Enteignung via Treuhand und die Abwertung von Lebenstaufen hat aus Siegern der Revolution Bittsteller gemacht.
Es sind zu wenig Führungspositionen mit Ostdeutschen besetzt.


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 22.01.2023 - 11:08